ESC 2013: Jury vs. Publikum

Vor etwa einer Woche hat die EBU die getrennten Abstimmungsergebnisse von Jurys und Publikum im ESC-Finale 2013 sowie in den beiden Halbfinale veröffentlicht.

Auch in diesem Jahr spendierte man dem ESC eine neue Abstimmungsregel (kurze Erläuterung auf Wikipedia), mit der es allerdings einer Jury noch einfacher gemacht wurde, Publikumslieblinge herabzustufen. Und umgekehrt natürlich.

Welche Auswirkungen hat das nun konkret? Bei wem unterscheiden sich Jury- und Publikumsurteil so stark, dass sich ohne die jeweils andere Partei signifikant bessere/schlechtere Platzierungen ergeben würden?

Halbfinale 1

Die Jurys

Im Vergleich zur Sortierung, die durch ausschließliche Wertung des Publikumsvotings zustande gekommen wäre, sorgt die Jurywertung im Endergebnis für folgende signifikante1 Verschiebungen:

down Montenegro (Who See & Nina Žižić – Igranka) verliert 8 Plätze (4 ↘ 12)

up Moldawien (Alina Moon – O mie) gewinnt 7 Plätze (11 ↗ 4)

Somit kicken die Jurys insgesamt Montenegro und schickt stattdessen Moldawien ins Finale. Bei den Astronauten und der Cyborg-Madame handelt es sich offenbar um Publikumslieblinge, für die die Jurys sich nicht begeistern können. Dass das Publikum Alina Moon trotz Trickkleid und atemberaubender Sturmfrisur auf die hinteren Ränge verweisen will, überrascht dann doch etwas.

Das Publikum

… hat anscheinend etwas gegen Österreich:

down Österreich (Natália Kelly – Shine) verliert 9 Plätze (5 ↘ 14)

Dadurch rutscht Litauen noch in die Top 10, Österreich scheidet trotz netten Liedes im Halbfinale aus. Aber okay, da sind weder Dubstep noch Trickkleid, Trommeln oder Flöte dabei UND die Dame hat ihre Schuhe noch an. So wird das natürlich nix.

Halbfinale 2

Im zweiten Halbfinale geht es nochmal ein Stückchen heißer zur Sache.

Die Jurys

down Schweiz (Takasa – You and Me) verliert 8 Plätze (5 ↘ 13)
down Bulgarien (Eliza & Stojan – Samo Shampioni (Only Champions)) verliert 6 Plätze (6 ↘ 12)

Die Heilsarmee, Verzeihung, eine Großfamilie mit Instrumenten, sowie ein heftig grinsendes Pärchen mit Riesentrommeln vermögen die Jurys nicht zu begeistern. Zur Strafe fliegen sie aus dem Finale, Armenien und Georgien rücken nach.

Das Publikum

down Georgien (Sopho Gelowani & Nodiko Tatischwili – Waterfall) verliert 5 Plätze (5 ↘ 10)
down Israel (Moran Mazor – Rak bishvilo (‏רק בשבילו) verliert ebenfalls 5 Plätze (9 ↘ 14)

up Rumänien (Cezar – It’s My Life) gewinnt 8 Plätze (13 ↗ 5)
up Bulgarien (Eliza & Stojan – Samo Shampioni (Only Champions)) gewinnt 5 Plätze (17 ↗ 12)

Während Georgien noch den Finaleinzug schafft, wird Israel hinter die magische 10-Teilnehmer-Grenze befördert. Heißer Tipp: beim nächsten Mal das Kleid etwas weiter schließen. San Marino verliert nur einen Platz, landet dadurch aber auf dem undankbaren elften Rang und scheidet ebenfalls aus. Publikumsliebling Cezar aus Rumänien (bei dem das Trickkleid fast so hoch wie die Stimme kommt) und Ungarn (ByeAlex mit Kedvesem im Zoohacker Remix) können sich hingegen durch die Gunst der Zuschauer über den Finaleinzug freuen.

Das große Finale

Im Finale setzt sich so mancher Trend fort. Dänemark hat bei den Jurys und noch deutlicher beim Publikum das Näschen vorn und gewinnt den ESC 2013.

Es folgt wieder die Übersicht über die Abweichungen um mindestens 5 Ränge.

Die Jurys

down Rumänien (Cezar – It’s My Life) verliert 6 Plätze (7 ↘ 13)
down Island (Eyþór Ingi Gunnlaugsson – Ég á líf) verliert 5 Plätze (12 ↘ 17)
down Irland (Ryan Dolan – Only Love Survives) verliert 12 Plätze (14 ↘ 26)
down Deutschland (Cascada – Glorious) verliert 5 Plätze(16 ↘ 21)

up Belgien (Roberto Bellarosa – Love Kills) gewinnt 5 Plätze (17 ↗ 12)
up Moldawien (Aloina Moon – O mie) gewinnt 8 Plätze (19 ↗ 11)
up Georgien (Sopho Gelowani & Nodiko Tatischwili – Waterfall) gewinnt 8 Plätze (23 ↗ 15)

Na, da haben die halbnackten Trommler aus Irland aber jemandem gar nicht gefallen. Bei den beiden Podesttrickkleidkandidaten aus Rumänien und Moldawien setzen sich die konträren Bewertungen von Publikum und Jurys auch im Finale fort. Der arme Cezar wurde einfach aus den Top 10 gekickt. Und: Die Jurys haben recht, Belgiens Tänzerinnen waren einfach die besten! <3

Das Publikum

down Schweden (Robin Stjernberg – You) verliert 11 Plätze (3 ↘ 14)
down Moldawien (Alina Moon – O mie) verliert 6 Plätze (5 ↘ 11)
down Frankreich (Amandine Bourgeois – L’enfer et moi) verliert 11 Plätze (12 ↘ 23)
down Finnland (Krista Siegfrids – Marry Me) verliert 6 Plätze (18 ↘ 24)

up Russland (Dina Garipowa – What if) gewinnt 5 Plätze (10 ↗ 5)
up Griechenland (Koza Nostra feat. Agathonas Iakovidis – Alcohol Is Free) gewinnt 6 Plätze (14 ↗ 6)
up Ungarn (ByeAlex – Kedvesem (Zoohacker Remix)) gewinnt 11 Plätze (21 ↗ 10)
up Weißrussland (Aljona Lanskaja – Solayoh) gewinnt 6 Plätze (22↗ 16)
up Rumänien (Cezar – It’s My Life) gewinnt 11 Plätze (24 ↗ 13)

Schwedens Justin-Bieber-Kopie wird vom Publikum abgestraft, ebenso Frankreichs… ääh… Damenwrack. Überraschend (?) gut kommt der Herr mit Mütze aus Ungarn beim Publikum an. Die Weißrussin aus der Discokugel rutscht in ihrem sehr knappen Kleidchen etwas weiter nach vorn, und der Rumäne macht einen gewaltigen Satz Richtung Spitze. Griechenland bekommt noch einen Platz in den Top 10 und Russland Gummipunkte aus kleinen Ländern.

Fazit

Sehr interessant ist die unterschiedliche Bewertung der Auftritte der Nachbarn Moldawien und Rumänien: Beide haben lustige hydraulische Trickkleider (gibt es da Technologieaustauschabkommen?), aber die Jurys finden die Moldauerin toll und den Rumänen doof, das Publikum genau umgekehrt.

Dass eine durchschnittlich bessere Bewertung nicht zwangsläufig zu mehr Punkten führt, zeigt sich vor allem im hinteren Bereich der Tabelle. Irland beispielsweise bekommt in der Jurywertung durchschnittlich Platz 16,21 und vom Publikum Platz 14,62. Dennoch liegen Länder wie Spanien (19,64 | 22,92) oder Litauen (17,95 | 16,73), die in beiden Kategorien schlechtere Werte haben, in der Endwertung vor Irland. Für Platzierungen > 10 gibt es von den von den einzelnen Ländern halt leider keine Punkte mehr, so dass dann hohe Einzelwertungen über die Reihenfolge bestimmen.

Dies bedeutet auch, dass eine bessere oder schlechtere Platzierung nicht generell durch Jurys oder das Publikum verursacht werden muss. Da die EBU darauf verzichtet, die einzelnen Jury- und Publikumsergebnisse nach Ländern aufgeschlüsselt zu veröffentlichen, ist dies auch von extern nicht nachprüfbar. Ein solcher Zusammenhang sieht nur relativ wahrscheinlich aus.

  1. „signifikant“ im Sinne von „5 oder mehr Plätze Unterschied“. Dieser Schwellwert ist willkürlich gewählt.

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