Von der außerordentlichen Unvereinbarkeit

In der verfassten Studierendenschaft der Uni Bonn gab es in den letzten Wochen mehrere bemerkenswerte, miteinander verknüpfte, Vorfälle.

Akt I: Seltsame Entscheidungen

Beginnen wir mit der Ältestenratsentscheidung Az. 1/20171. Oberflächlich ging es darum, ob die Vorsitzende des Kassenprüfungsausschusses des SP sich falsch verhalten hat. Im Grunde ging es jedoch um die Frage, ob eine Person, die Angestellte des AStA ist, gleichzeitig Mitglied im Kassenprüfungsausschuss sein darf.

Der Knackpunkt: In der Satzung der Studierendenschaft und in der HWVO NRW2 ist recht explizit aufgeführt, welche Personen nicht Mitglied im Kassenprüfungsausschuss sein dürfen. Die Satzung schließt alle aus, die dem zu prüfenden AStA angehört haben, oder dem amtierenden AStA, oder dem Haushaltsausschuss angehören. Die HWVO erweitert diesen Kreis um jene Personen, die mit der Anordnung oder Ausführung von Zahlungen betraut sind.

Legt man diesen letzten Punkt eng aus, betrifft das vermutlich nur Personen im Finanzreferat. Legt man ihn jedoch weit aus, schließt er praktisch alle Personen aus, die im Umfeld der verfassten Studierendenschaft Geld in die Hand nehmen, also auch Angestellte aus AStA-Laden oder Fahrradwerkstatt.

Der Ältestenrat hat sich hier leider nicht mit einem Hinweis auf die HWVO begnügt, sondern weiter ausgeführt, dass der Zweck der Norm sei, eine Interessenskollision zu vermeiden und eine unabhängige und unbefangene Prüfung der Kasse zu gewährleisten. „Entscheidend für die Unvereinbarkeit ist die Möglichkeit des tatsächlichen Zugriffs auf Finanzmittel der Studierendenschaft.“, so der Ältestenrat in seiner Entscheidungsbegründung.

Ohne Not wird hier durch den Ältestenrat das Prinzip Möglichkeit der Einflussnahme → Befangenheit → Unvereinbarkeit eingeführt.

Da es ursprünglich um das Verhalten der Ausschussvorsitzenden ging, führt der Ältestenrat noch weiter aus, wie seiner Ansicht nach im Falle einer eingetretenen Unvereinbarkeit vorzugehen sei, da Satzung und Geschäftsordnung sich dazu bislang ausschweigen. Das Studierendenparlament als entsendendes Gremium müsse nach Ansicht des Ältestenrats die Unvereinbarkeit formal feststellen, sei dabei aber an „die materiell-rechtlichen Vorgaben der Unvereinbarkeitsvoraussetzungen“ gebunden. Heißt: Wenn eine Unvereinbarkeit mit irgend einer Ausschussmitgliedschaft nach den in der Satzung (bzw. der HWVO oder sonstigen Rechtsquellen) definierten Bedingungen vorliegt, muss das SP noch seinen Stempel draufsetzen.

Akt II: Dubiose Abwahl

Die Kulturreferentin des AStA wurde auf Antrag des AStA-Vorsitzes durch das Studierendenparlament abgewählt. Formal gibt es hieran nichts auszusetzen, aber auf politischer Ebene wird ein Riesenbohei darum gemacht, zumal die Begründung für die Abwahl noch dürftiger war als bei der lächerlichen Abwahl des Finanzreferenten 2015.

Direkt nach der Abwahl wurde auf von Mitgliedern von RCDS und KULT (der die Abgewählte angehört) ein Untersuchungsausschuss eingerichtet3:

„(…), der die Umstände der Abwahl der Kulturreferentin (…) klären soll. Er soll die tatsächlichen Beweggründe der Koalition für diese Abwahl herausfinden und ihre eigenen Angaben kritisch hinterfragen, sowie die Vorwürfe gegen den AStA und die Koalition, die im Zusammenhang mit der Absetzung laut geworden sind, untersuchen.“

Akt III: Trololo

Dieser Untersuchungsausschuss ist freilich gemäß dem Kräfteverhältnis der Fraktionen im Studierendenparlament besetzt. Das erste, was der Ausschuss also gemacht hat, war… nicht beschlussfähig zu sein. Auf zur außerordentlichen konstituierenden Sitzung!

Das zweite, was der Ausschuss gemacht hat, war, im Studierendenparlament einen Antrag zu stellen. Diesen hier:

Das SP möge beschließen:
Das SP als zuständiges Gremium im Sinne der Entscheidung Az. 01/2017 des Ältestenrates erklärt alle Mitglieder des SPs, die an der Abstimmung über die Abwahl von (…) als Kulturreferentin mit teilgenommen haben in Hinblick darauf, dass der Untersuchungsausschuss die „tatsächlichen Beweggründe“ für diese Abwahl herausfinden soll für befangen und stellt die Unvereinbarkeit befangener Mitglieder im Ausschuss fest.

Kommt euch da etwas bekannt vor? Hier sehen wir die Anwendung des Prinzips Möglichkeit der Einflussnahme → Befangenheit → Unvereinbarkeit. Der Ältestenrat hatte allerdings auch auf „die materiell-rechtlichen Vorgaben der Unvereinbarkeitsvoraussetzungen“ hingewiesen, an die das SP gebunden sei. Und für Untersuchungsausschüsse gibt es weder in der Satzung noch sonstwo Unvereinbarkeitsregelungen.

Hätte das Studierendenparlament also diesen Antrag beschlossen, so hätte es sich praktisch eine Unvereinbarkeit aus dem Arsch gezogen, nur um den Ausschuss zu sabotieren. Deshalb wurde der Antrag im SP abgelehnt.

Spaß! Der Antrag wurde im SP mehrheitlich angenommen.

Akt IV: Jetzt ist auch alles egal

Nun, wo allein das Prinzip Möglichkeit der Einflussnahme → Befangenheit → Unvereinbarkeit ohne festgeschriebene Unvereinbarkeitsregelungen gilt, kann man das ja bestimmt noch auf weitere Fälle anwenden. Nehmen wir zum Beispiel den Wahlprüfungsausschuss. Dieser prüft die vergangene Wahl. Zwar ist hier festgelegt, dass seine Mitglieder lediglich nicht dem AStA angehören oder Teil des Wahlausschusses gewesen sein dürfen. Aber was scheren uns schon Unvereinbarkeitsregelungen, wenn wir unser schönes neues Prinzip haben! Es ist ja so: Befangen sind alle, die sich zur Wahl beworben habe.

Eigentlich hatten sogar alle Wahlberechtigten die Möglichkeit der Einflussnahme, sind somit befangen und dürften nicht Mitglied im Wahlprüfungsausschuss sein.

Klingt absurd? Ist es auch. Deshalb käme auch niemand auf die Idee, genau das im SP zu beantragen.

Außer natürlich man ist ein bekannter Spaßvogel™4. Im Studierendenparlament verbrachte man dann auch mehrere Minuten damit, sich gegenseitig zu versichern, dass die Konsequenzen aus der Annahme des Antrags sehr negativ wären.

Öffentlich einsehen, dass noch einen Tagesordnungspunkt zuvor ein Antrag angenommen wurde, der derselben Logik folgte, wollte indes natürlich niemand5. Wo kämen wir denn da auch hin.

  1. Nicht veröffentlicht, ggf. anfragbar beim Ältestenrat oder der Grünen Hochschulgruppe. Hey GHG, euer HTTPS ist kaputt!
  2. Verordnung über die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierendenschaften der Universitäten, Fachhochschulen und Kunsthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Haushalts- und Wirtschaftsführungs-Verordnung der Studierendenschaften NRW – HWVO NRW) (Link)
  3. Ja, sowas gibt es.
  4. Siehe
  5. Der Antrag wurde einstimmig ohne Enthaltungen abgelehnt.

Ältestenrat rudert zurück: Satzungsänderung nun doch nur mit 2/3-Mehrheit

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Im Juli hieß es noch: Satzungsänderung mit einfacher Mehrheit!

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Wie ich eben erfahren habe, hat der Ältestenrat in seiner Sitzung am 25. September 2014 seinen „Beschluss 09/2014“, wobei es sich um den oben erwähnten handeln dürfte, wieder aufgehoben. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Satzungsänderungen mit 2/3-Mehrheit der SP-Mitglieder beschlossen werden müssen.

Als Hauptgrund wird angeführt, dass die Rechtsvorschriften für Satzungsänderungen aus höherrangigen Rechtsquellen nun leider gar nicht eindeutig seien und der Ältestenrat sich bei seiner Tätigkeit primär an die Satzung der Studierendenschaft zu halten habe, die in diesem Punkt hingegen eindeutig sei.

Heißt: Alles wieder wie früher. Falls jemand nun die Satzung mit einfacher Mehrheit ändern will, müsste das vermutlich erst einmal auf dem Klageweg erstritten werden.

Die vollständige Entscheidung des Ältestenrats inklusive Begründung lässt sich sicherlich vom Vorsitzenden des Ältestenrats anfordern bzw. bei diesem einsehen.

  1. Mir ist bewusst, dass es sich bei „rudert zurück“ um eine der abgedroschensten „Nachrichten“-Floskeln überhaupt handelt. Sie steht absichtlich dort. Keinesfalls möchte ich ein Mitglied des Ältestenrats mit dem Rudersport in Verbindung bringen. Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass das Studierendenparlament bereits mehrfach den Rudersport der Uni Bonn finanziell unterstützt hat.

Ältestenrat: Satzungsänderung mit einfacher Mehrheit der SP-Mitglieder

Auf seiner Sitzung am 31. Juli 2014 hat der Ältestenrat der verfassten Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf Antrag des SP-Präsidiums mit 4 Ja-Stimmen und 0 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen festgestellt, dass zur Änderung der Satzung der verfassten Studierendenschaft lediglich die Mehrheit der Mitglieder des Studierendenparlaments nötig ist.

Dies ergebe sich aus § 53 Abs. 4 des Hochschulgesetzes. Laut § 52 Abs. 2 der Satzung der Studierendenschaft wäre abweichend davon eine 2/3-Mehrheit der Mitglieder für eine Satzungsänderung notwendig.

Der Entscheidung waren eine sehr lebhafte Diskussion unter den Sitzungsteilnehmern und eine 42-minütige Beratungsphase des Ältestenrats vorausgegangen. Auch lagen Stellungnahmen aus dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie dem Justiziariat der Universität vor, die diese Entscheidung stützten. In der mündlichen Entscheidungsbegründung wurde unter anderem erläutert, in der aktuellen Fassung des Hochschulgesetzes werde nicht mehr zwischen dem Beschluss und der Änderung einer Satzung unterschieden, weshalb die Regelung zum Beschluss einer Satzung aus dem Hochschulgesetz auch auf Satzungsänderungen anzuwenden sei. Diese könne auch in der Satzung nicht mehr „überschrieben“ werden.

Die vollständige Begründung wird den Verfahrensbeteiligten in den nächsten Tagen/Wochen zugehen.