Schäfer beißt Hund

Im Jahr 2013 wurde die Satzung der Studierendenschaft geändert. Damit einher ging ein Wechsel des Sitzzuteilungsverfahrens bei der Studierendenparlamentswahl. Wurde bis dahin das d’Hondt-Verfahren eingesetzt, so kommt seitdem das Wahlverfahren Sainte-Laguë/Schepers zum Einsatz.

Begründet wurde die Änderung damit, dass d’Hondt größere Listen bevorzuge, während Sainte-Laguë1 dies nicht tue.

Gleichzeitig wurde das Verfahren für die Sitzzuteilung in den Ausschüssen des Studierendenparlaments ebenfalls zum Sainte-Laguë-Verfahren geändert. Was das konkret bedeutet, kann man am neuesten Wahlergebnis sehen:

Liste Sainte-Laguë d’Hondt
RCDS 9 10
JUSOS 12 13
LHG 6 6
LUST 3 3
LISTE 2 1
KULT 3 2
GHGP 7 7
SDS 1 1

Die beiden größten Listen erhalten bei d’Hondt je einen Sitz mehr, den im Gegenzug kleinere Listen verlieren.

Schon im letzten Jahr hätte mit d’Hondt der RCDS einen Sitz mehr und KULT einen Sitz weniger errungen, und vor drei Jahren hätte die GHG einen Sitz von der LUST übernommen. Die jeweils größte Liste profitiert in diesen Fällen also stets vom d’Hondt-Verfahren.

In other news: Der Sainte-Laguë/d’Hondt-Rechner kennt jetzt auch die Zahlen des Ergebnisses von 2017. Wir rechnen ein wenig lassen ein wenig rechnen und sehen: Bei der Besetzung der SP-Ausschüsse dürfen sich dieses Jahr für den Haushaltsausschuss der RCDS, die LUST und KULT um den letzten Platz kloppen.

Wäre doch voll kluk gewesen, wenn man da im letzten Jahr ein unblutiges Verfahren für festgelegt hätte…

  1. Sprich: sɛ̃tlaˈɡy („Sohnt‘-Lagüüh“)

Die wunderbare Welt des Sainte-Laguë/Schepers-Verfahrens

Das Studierendenparlament hat seine Ausschüsse nach mittlerweile zwei Monaten immer noch nicht voll besetzt. Eins der Probleme1 ist, dass das zur Sitzzuteilung verwendete Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren nicht für jede SP-Besetzung eindeutige Ausschussbesetzungen erzeugen kann. Besonders häufig tritt das Problem auf, wenn Fraktionen im Parlament die selbe Sitzzahl haben und dann bei Zuteilung des letzten Sitzes gleichzeitig „an der Reihe“ wären.

Oft wird und wurde vorgeschlagen, dann die Sitzzahl im Ausschuss einfach zu erhöhen. Wie erfolgsversprechend das ist, wollen wir heute betrachten.

Zunächst stellt sich die Frage, wie häufig das Problem überhaupt auftritt. Ich habe also die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren (im folgenden STLGS) fehlschlägt, und zwar für 2-12 vertretene Listen und Ausschussgrößen von 3 bis 152.

Wahrscheinlichkeit, dass STLGS fehlschlägt, in Prozent, für Anzahl der im SP vertretenen Listen (links) und Ausschussgröße (oben).

Wahrscheinlichkeit, dass STLGS fehlschlägt, in Prozent, für Anzahl der im SP vertretenen Listen (links) und Ausschussgröße (oben).
Farbkodierung Gelb (0%) – Blau (50%) – Rot (100%)

Zum Vergleich werfen wir einen Blick darauf, wie sich das beim d’Hondt-Verfahren verhält. Das d’Hondt-Verfahren wurde vor 2013 zur Sitzzuteilung verwendet und erfreut sich bei Fachschaftswahlen noch großer Beliebtheit. Die beiden Verfahren funktionieren sehr, sehr ähnlich.

Wahrscheinlichkeit, dass d'Hondt fehlschlägt, in Prozent, für Anzahl der im SP vertretenen Listen (links) und Ausschussgröße (oben).

Wahrscheinlichkeit, dass d’Hondt fehlschlägt, in Prozent, für Anzahl der im SP vertretenen Listen (links) und Ausschussgröße (oben).
Farbkodierung Gelb (0%) – Blau (50%) – Rot (100%)

Wir sehen ein etwas anderes Muster mit etwas extremeren Werten.

Die Grundtendenz ist aber offensichtlich: Je mehr Listen es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass zwei oder mehrere Listen die gleiche Sitzzahl haben, und damit zusammenhängend ist es auch wahrscheinlicher, dass die Verfahren fehlschlagen. Mit Fehlschlagswahrscheinlichkeiten zwischen 20 und 30 Prozent, wie wir sie aktuell haben, will man aber eigentlich nicht arbeiten.

Wie wäre es denn, wenn wir das d’Hondt-Verfahren anwenden, sofern STLGS fehlschlägt?

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Wahrscheinlichkeit, dass sowohl STLGS als auch d’Hondt fehlschlagen, in Prozent, für Anzahl der im SP vertretenen Listen (links) und Ausschussgröße (oben).
Farbkodierung Gelb (0%) – Blau (50%) – Rot (100%)

Besser, besser. Aber: Immer noch über zehn Prozent im für uns relevanten Bereich. Wenn das schon die Notlösung sein soll, dann sollte sie doch bitte verlässlich funktionieren. Eine neue Idee muss also her.

Beliebt ist auch die Idee, die Ausschussgröße einfach so lange um zwei zu erhöhen, bis kein Problem mehr auftritt. Wie gut das klappt, zeigt die folgende Animation.

caption

Wahrscheinlichkeit, dass STLGS für alle versuchten Ausschussgrößen fehlschlägt, in Prozent, für Anzahl der im SP vertretenen Listen (links) und Ausschussgröße (oben). Markiert sind nach Satzung zulässige Ausschussgrößen und die aktuelle Listenzahl im SP.

Erst bei bis zu dreifacher Erhöhung der Ausschussgröße landen die Wahrscheinlichkeiten für relevante Größen im Ein-Prozent-Bereich. Damit würde ein Fünferausschuss zum Elferrat, ein Neunerausschuss hätte fünfzehn Mitglieder. So viele Personen kriegen die sowieso nicht zusammengewählt.

Aber weshalb dieser Fetisch für ungerade Ausschusssitzzahlen? Erstens kommt es bei Mehrheiten sowieso meistens darauf an, wer gerade nicht die Sitzung vergessen hat. Zweitens treffen Ausschüsse mit Entscheidungskompetenz in der Regel keine politischen Entscheidungen. Und drittens haben wir mit dem von der FK zu benennenden Mitglied ein Aliud, das die Gesamtausschussgrößen aktuell sowieso auf eine gerade Zahl bringt.

Statt Erhöhung um zwei wollen wir uns nun also eine Erhöhung um eins ansehen:

caption

Wahrscheinlichkeit, dass STLGS für alle versuchten Ausschussgrößen fehlschlägt, in Prozent, für Anzahl der im SP vertretenen Listen (links) und Ausschussgröße (oben). Markiert sind nach Satzung zulässige Ausschussgrößen und die aktuelle Listenzahl im SP.

Wenn wir diese Zwischenschritte zulassen, sind wir bereits nach vier Schritten bei Werten unter einem Prozent im relevanten Bereich. Besser jedenfalls als die Erhöhung um zwei.

Eins jedoch muss hier angemerkt werden: Es müssen nur ein paar mehr Listen antreten und die dann ein sehr ungünstiges Ergebnis erreichen, und schon steigt die Ausschussgröße wieder auf 43. Eine alleinige Lösung kann die Anhebung der Ausschussgröße also nicht sein.

Rohdaten als ods-Datei herunterladen

  1. Ein anderes Problem ist, dass Personen die Augen verschließen vor dem, was in Satzung und Geschäftsordnung steht.
  2. Aktuell nach Satzung erlaubte Ausschussgrößen sind 3,5,7 und 9.

Der kleine Unterschied

Die nächste Woche wird spannend in der Bonner Hochschulpolitik. Vergangenen Dienstag hat das Rektorat der RFWU Bonn (hoffentlich) die neue Satzung der Studierendenschaft genehmigt. Und je nachdem, wann diese jetzt veröffentlicht wird, ändert sich die Zusammensetzung des am kommenden Mittwoch zu wählenden Wahlausschusses.

Zum Hintergrund: Ausschüsse des SP werden so besetzt, dass die Mehrheitsverhältnisse im SP sich in ihnen widerspiegeln sollen. Jede Fraktion darf deshalb eine gewisse Zahl an Bewerbern vorschlagen, abhängig von der Sitzzahl die sie innehat: Je mehr Sitze, desto mehr Vorschläge.

In der neuen Satzung wird nun gleichzeitig mit dem Verfahren zur Berechnung der Sitzverteilung das Verfahren zur Berechnung der Ausschussbesetzung geändert: Statt d’Hondt wird Sainte-Laguë/Schepers angewendet. Der Wahlausschuss hat 9+11 Mitglieder, im SP sind 6 Hochschulgruppen vertreten2.

Vorschläge mit d’Hondt:

  • GHG: 4
  • RCDS: 3
  • Jusos: 2
  • LUST: 0
  • LHG: 0
  • Piraten: 0

Vorschläge mit Sainte-Laguë/Schepers:

  • GHG: 3 (-1)
  • RCDS: 2 (-1)
  • Jusos: 2
  • LUST: 1 (+1)
  • LHG: 1 (+1)
  • Piraten: 0

LUST und LHG sollten sich also gegebenenfalls überlegen, wen sie am Mittwoch für den Wahlausschuss vorschlagen wollen. Falls die neue Satzung vor der Wahl des Wahlausschusses veröffentlicht wird, dürften sie Kandidatinnen oder Kandidaten benennen.

Berechnungshintergrund

Sowohl das d’Hondt-Verfahren als auch das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers können als Divisor- oder als Höchstzahlverfahren implementiert werden. Als Divisorverfahren kann man das beispielsweise hier und hier ausprobieren, als Höchstzahlverfahren werden wir es jetzt hier tun.

Grundlage für die Berechnung der Anzahl der Vorschläge für jede Liste ist § 12 (6) der Satzung der Studierendenschaft. Aktuell lautet er wie folgt:

(6) Bei Besetzung der Ausschüsse ist nach dem Höchstzahlverfahren d’Hondt das Stärkeverhältnis aufgrund der Sitze im SP zugrunde zu legen.

In der Neufassung ist lediglich das „Höchstzahlverfahren d’Hondt“ durch das „Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren“ ersetzt. Der Unterschied zwischen den beiden Verfahren besteht nun darin, wie gerundet wird (Divisorverfahren) bzw. durch welche Zahlen geteilt wird (d’Hondt).

Bei d’Hondt werden die Sitzzahlen der Listen jeweils durch 1,2,3,… geteilt und dann die 9 größten Zahlen daraus ermittelt. Jede Liste darf dann so viele Personen vorschlagen, wie sie Zahlen unter den Top 9 hat.

Nach d'Hondt bekommt die GHG 4 Vorschläge, der RCDS 3 und die Jusos dürfen 2 Personen vorschlagen.

Nach d’Hondt bekommt die GHG 4 Vorschläge, der RCDS 3 und die Jusos dürfen 2 Personen vorschlagen. (Zahlen auf 2 Nachkommastellen gerundet)

Beim Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers ändert sich ein winziges Detail: Es wird nicht mehr durch 1-2-3-…, sondern durch 0,5-1,5-2,5-… geteilt – die Teiler sind also immer um 0,5 kleiner. Welchen Effekt das hat, sehen wir hier:

GHG und RCDS müssen je einen Vorschlag an LUST und LHG abgeben.

GHG und RCDS müssen je einen Vorschlag an LUST und LHG abgeben. (Zahlen auf 2 Nachkommastellen gerundet)

Die „kleinen“ Listen bekommen einen Bonus und dürfen plötzlich mehr mitreden.

Mal sehen, was draus wird.

  1. die Fachschaftenkonferenz darf auch noch einen Vorschlag machen
  2. Eigentlich haben die „Fraktionen“ Vorschlagsrecht, die Piraten-HSG ist jedoch fraktionslos. Unterschied macht das aber im Ergebnis keinen, wie wir sehen werden.