DkW | Kapitel 7: Wahlwerbung

Sven Zemanek hat an der Uni Bonn fünf Jahre lang Wahlen zum Studierendenparlament organisiert. Damit nachfolgende Generationen von dieser Erfahrung profitieren können, entsteht die Artikelserie „Die kleine Wahlleiter“.

Es gibt zwei Arten von Wahlwerbung: Neutrale Werbung für die Wahl durch den Wahlausschuss, und nicht neutrale Werbung der Listen für sich selbst.

Die Notwendigkeit für neutrale „Wahl“-Werbung ergibt sich aus § 16 Abs. 4 der Wahlordnung:

(4) Die Wahlleiterin hat in geeigneter Form die Voraussetzungen für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu schaffen.

Eine Voraussetzung für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung ist offensichtlich, dass die Wahlberechtigten von der Wahl erfahren. Natürlich gehören dazu noch mehr Dinge, beispielsweise eine gute Verteilung der Wahllokale über die Universitätsstandorte

Die Formulierung „in geeigneter Form“ lässt dem Wahlausschuss sehr großen Spielraum, von einer E-Mail mit dem Inhalt »Von dann und dann bis dann und dann  findet die nächste Wahl statt, wählen könnt ihr hier und da, kthxbye« bis hin zu Plakaten, auf denen »Geht wählen weil das ist voll sexy« steht.

Die Universitätsverwaltung erlaubt üblicherweise den Versand einer Rund-E-Mail an alle Studierenden, um auf die bevorstehende Wahl hinzuweisen. Dafür benötigt man lediglich ein „Ja“ vom Rektor, welches er üblicherweise gern ausspricht. Die E-Mail dürfte den Bewerbungsaspekt von § 16 WOSP hinreichend erfüllen – alles darüber hinaus ist Kür.

Listenwerbung

Mit der Wahlwerbung durch die Listen hat der Wahlausschuss erst einmal nichts zu tun.

Eine „Elefantenrunde“ oder sonstige Späße, bei denen die Kandidierenden und Listen sich den Wahlberechtigten präsentieren können, sind in der Wahlordnung nicht vorgesehen. Der Wahlausschuss kann derartige Veranstaltungen organisieren oder Werbeflächen zur Verfügung stellen, solange die eigene Neutralität gewahrt bleibt. Er muss dies aber auf keinen Fall tun. Die echten Aufgaben dürfen darunter auch nicht leiden.

Ärger

Gelegentlich gibt es Beschwerden über die Wahlwerbung einer Liste.

Eine Liste könnte sich beispielsweise beschweren, dass eine andere Liste unwahre Dinge in ihrer Wahlwerbung behauptet. Für derartiges ist der Wahlausschuss aber sowas von nicht zuständig. Ihre Differenzen dürfen die Listen gern unter sich austragen, ob in Facebook-Kommentaren, beim Flunkyball auf der Hofgartenwiese oder vor Gericht sei ihnen dabei selbst überlassen.

Öfter kommt es vor, dass die Universitätsverwaltung oder die Stadt sich beim Wahlausschuss über die Platzierung von Werbematerialien beschweren, ggf. weil die Adresse des Wahlausschusses die einzige ist, die sie gerade finden können. Derartige Anfragen kann man gern an die Vertrauenspersonen der entsprechenden Liste weiterleiten und den Bittstellern mitteilen, dass man genau dies getan hat. Als Wahlausschuss auf eigene Faust losziehen und Listenplakate entfernen ist hingegen keine gute Idee.

Eine Ausnahme bilden ggf. vom Wahlausschuss zur Verfügung gestellte Werbeflächen: Hier sollte direkt bei der Vergabe festgehalten werden, bis zu welchem Zeitpunkt die angebrachten Werbematerialien wieder entfernt werden müssen und dass nach diesem Zeitpunkt noch vorhandenes Material vom Wahlausschuss ohne Wiederkehr entsorgt wird.

Redezeit

Ab und zu kommt die Frage auf, wer eigentlich wie lange geredet hat – sei es das TV-Duell, die Elefantenrunde vor der SP-Wahl oder einfach nur eine langweilige SP-Sitzung, auf der die Gedanken zu Unwichtigerem abschweifen. Dann dachte ich mir: „Da müsste man ja alles mitstoppen und dann noch aufschreiben, wer gerade dran war – viiiel zu aufwendig!“, und widmete mich wieder anderen Gedanken. Bis heute.

Wir präsentieren:

redezeit

Dieser total kreative Name ist Programm. Wie funktioniert das nun?

Seite aufrufen!

Okay, das war einfach. Weiter!

Teilnehmer anlegen!

Hierzu zunächst eine Taste im Tastenfeld auswählen. Die Taste wird blau. Dann einen Namen im Namensfeld wählen und den Teilnehmer mit Klick auf die Schaltfläche „Hinzufügen“, nun ja – hinzufügen.

Aufzeichnung starten!

Nachdem alle Teilnehmer erstellt wurden, kann die Aufzeichnung gestartet werden. Das passiert durch einen Klick auf den großen „Start“-Knopf. Während der Aufzeichnung können keine Teilnehmer hinzugefügt oder entfernt werden, die entsprechenden Schaltflächen werden ausgeblendet.

Den aktiven Teilnehmer wechseln!

Der aktive Teilnehmer wird ausgewählt, indem die entsprechende Taste auf der Tastatur gedrückt wird. Beim standardmäßig vorhandenen Teilnehmer „Allgemein“ für alles, was kein Redebeitrag ist, ist das die Leertaste. Sekündlich wird geprüft, welcher Teilnehmer gerade aktiv ist. Dieser Teilnehmer bekommt dann eine Sekunde mehr auf’s Konto. Gleichzeitig wird die Übersichtstabelle aktualisiert.

Aufzeichnung beenden!

Mit einem Klick auf die große „Stop“-Taste passiert das. Nun kommen auch die Schaltflächen zum Hinzufügen und Entfernen von Teilnehmern wieder zum Vorschein.

Was geht noch nicht?

Aktuell können keine 2 Teilnehmer parallel gemessen werden, denn in jedem Moment ist genau 1 Teilnehmer aktiv. Redebeiträge unter 1s weren möglicherweise auch nicht erfasst – sehr gehaltvoll werden diese Zwischenrufe aber vermutlich auch nicht sein.

Weitere grafische Auswertungen oder ein Export der Aufzeichnung wären sicherlich wünschenswert, sind aktuell aber nicht implementiert.

Anwendungsgebiete

Natürlich ist die Anwendung nicht darauf beschränkt, Redezeiten zu messen. Welcher Spieler hat wie lange den Ball?  Wie lange dauert die Werbung bei Schlag den Raab? Und natürlich die Frage, die wir uns alle stellen: Wie lange hat die ESC-Bühne welche Farbe? Die Einsatzmöglichkeiten sind gar zahlreich.

Projekt auf GitHub

Neutral wie die Schweiz

Nächsten Mittwoch steigt wieder einmal in Vorbereitung auf die große Wahl (welche Wahl?) in der Mensa Nassestraße die Elefantenrunde (Link zur Facebook-Veranstaltung).

Auf dieser Veranstaltung sitzt von jeder zur Wahl antretenden Liste eine Person auf dem Podium und „unterhält“ sich mit den anderen Leuten rundherum. Moderiert wird das Ganze voraussichtlich von Hendrik Erz von bonnFM, dem besten studentischen Radiosender in Bonn überhaupt. Und natürlich darf auch das Publikum Fragen stellen.

Eigentlich wäre das eine gute Gelegenheit, die Spitzenkandidierenden mal so richtig zu grillen. Man könnte fragen, ob die Spitzenkandidierenden vorhaben, sich nach der Hälfte der Legislaturperiode ins Ausland abzusetzen1, wie viele (und welche) der Listenplätze sofort nach ihrer Wahl zurücktreten werden2, oder man fragt eine Liste gezielt, warum sie die Wählerschaft in Wahlzeitung oder Wahl-O-Man in einem konkreten Punkt dreist anlügt3. Oder warum alle Listen versuchen, ein falsches Bild von sich zu vermitteln und sich künstlich jünger zu machen. Jaja! Da soll niemand sagen, „seine“ oder „ihre“ Liste mache das nicht! Legt mal die letzte und die aktuelle Wahlzeitung nebeneinander und vergleicht *grins*

Jedenfalls. Ich könnte das tun, genug Ahnung von der ganzen Materie habe ich. Allerdings bin ich auch Mitglied im Wahlausschuss, und als solches habe ich meine Aufgaben „unparteiisch[] und gewissenhaft[]“ zu erfüllen,  wie die Wahlordnung es so schön ausdrückt. Und das bedeutet insbesondere: Keine Wahlkampfhilfe und kein Coaching.

nein

Keine Wahlkampfhilfe

Eigentlich klar. Ich helfe niemandem beim Plakate kleben, ich verziere im Gegenzug auch niemandes Plakate, ich zerlege nicht die „Argumentation“ einer Liste, wovon andere Listen im Wahlkampf profitieren könnten (wenn es denn bei euch Apathikern überhaupt einen Unterschied machen würde). Wir organisieren hier unsere Wahl und sonst nichts4 – wenn euch etwas nicht passt, was die anderen machen, wendet euch an den Ältestenrat.

Kein Coaching

oder aber „warum bist’n du soooo!“. Das Coaching-Konzept stammt aus der Sammelkartenspielszene und wird in diesem Artikel schön erklärt.

„Keine Wahlkampfhilfe“ heißt: Ich tue nichts, was einer Liste hilft. „Kein Coaching“ bedeutet, kurz zusammengefasst: Ich nehme einer Liste nicht das Denken ab – ich sage einer Liste nicht, was sie tun sollte.

Ein Beispiel: Hans von der Liste X fragt mich, wie seine Liste letztes Jahr exakt hieß, damit er sie dieses Jahr wieder genauso nennen und seinen formidablen 7. Platz auf dem Stimmzettel behalten kann. Das Problem: Wenn ich ihm diese Frage beantworte, sage ich ihm, was er tun soll.

Die Lösung für Hans wäre in diesem Fall, eine andere Frage zu stellen: „Wo finde ich die exakten Listennamen der zur letzten Wahl angetretenen Listen?“ Dass diese in der letztjährigen Wahlzeitung und dem vorläufigen amtlichen Endergebnis stehen, ist eine allgemeine Information, die ich problemlos loswerden kann.5

Noch ein Beispiel: Hilde, ebenfalls von Liste X und eine alte Schulfreundin von mir, hat zum donnerstäglichen Kaffeekränzchen die Wahlbewerbung ihrer Liste mitgebracht und fragt, ob ich mal eben drübergucken könnte, ob grobe Fehler drin sind.6 „Coaching!“ werden da die ersten schreien und ja, vollkommen richtig: Ich würde Hilde sagen, was sie tun soll, um das bestmögliche Ergebnis (keine Mängel) zu erzielen, und das geht natürlich nicht.

Hilde könnte schon fragen, ob man denn alle Vornamen auf die Bewerbung schreiben müsse, die auf dem Studentinnenausweis stehen (Ja.7) und ob man vielleicht noch auf den Stimmzettel schreiben lassen kann, dass ihr Hund „Egon“ heißt (Nein???8). Der Standardweg wäre allerdings, einfach alles nach bestem Wissen und Gewissen auszufüllen, einzureichen und dann auf die meterlange Mängelliste nach der Prüfung durch den Wahlausschuss zu warten.9

Ein drittes Beispiel: Hans fragt mich, an welchem Urnenstandort man am besten Wahlwerbung machen kann. Abgesehen davon, dass rund um die Wahllokale eine Bannmeile mit 5 Metern Radius liegt, innerhalb derer Wahlwerbung weder hängen, noch liegen, noch getragen werden darf, würde ich ihm mit Beantwortung dieser Frage das Denken abnehmen. Ergo: Mööp.

Das Coaching-Prinzip ist vermutlich für Menschen mit mathematischer Grundausbildung verständlicher als für solche, die sich eher geisteswissenschaftlich-künstlerisch orientiert haben. Grundsätzlich sollte man aber mitnehmen: Ein „Nein, diese Frage kann ich dir nicht beantworten“ ist nicht unbedingt ein „Nein, das sage ich dir nicht“, sondern vielleicht auch ein „Wenn du allgemeiner fragst und dann ein bisschen selbst denkst, wird’s vielleicht was“.

  1. kommt vor
  2. kommt vor
  3. kommt vor
  4. Ja, und die Elefantenrunde. Ist halt Teil der Wahl.
  5. Wobei es sich hierbei mittlerweile ja insgesamt um eine akademische Frage handelt.
  6. Eine Frage, die sich eigentlich immer im Brustton der Überzeugung mit „Ja!“ beantworten lässt, wie die Erfahrung zeigt.
  7. Wenn du ein Problem mit einem deiner Vornamen hast, besprich das mit deinen Eltern.
  8. Ein Antrag diesbezüglich an den Wahlausschuss ist selbstredend möglich.
  9. nächstes Jahr wird alles besser. Dann gibt es eine neue Wahlordnung, die alles einfacher macht. HAHAHAHAHA!