Wie man Urabstimmungsunterschriften prüft

Vor ziemlich genau einem Jahr hatten wir das Vergnügen die Aufgabe, für ein Urabstimmungsverlangen eingereichte Unterschriftenlisten zu prüfen. Eine Premiere der jüngeren Geschichte der verfassten Studierendenschaft in Bonn! Was dabei gut lief und wo man1 Dinge hätte besser machen können, möchte ich an dieser Stelle niederschreiben.

Beginnen wir mit dem, was zu tun war: Eine Urabstimmung kann von fünf Prozent der Mitglieder der Studierendenschaft verlangt werden. Die tragen ihre Namen, Matrikelnummern und Unterschriften auf Listen ein, die dem Studierendenparlament eingereicht werden. Um zu prüfen, ob dieses Verlangen erfolgreich ist, muss dann geprüft werden, ob tatsächlich mindestens fünf Prozent der Mitglieder der Studierendenschaft dieses Verlangen unterschrieben haben.

Wir benötigen also:

  • Die Unterschriftenlisten
  • eine Liste mit Vornamen, Nachnamen und Matrikelnummern aller Mitglieder der Studierendenschaft zum Stichtag2

Und zu tun ist:

  1. Für jeden Eintrag in den Unterschriftenlisten prüfen, ob es sich um ein Mitglied der Studierendenschaft handelt
  2. Fehler und Duplikate rauswerfen
  3. Die Gesamtzahl der gültigen Unterschriften ermitteln („den Rest zählen“)

Für die Prüfung hatte die Universitätsverwaltung netterweise die passende Liste zur Verfügung gestellt. Zudem hatte ich eine kleine Applikation entwickelt, mit der diese Liste indexiert und recht fix durchsucht werden konnte. Punkt 1 war also abgehakt.

Um auf den Unterschriftenlisten bei der Prüfung Anmerkungen anbringen zu können, wurde nicht mit den Originalen gearbeitet, sondern mit Kopien. Dass es sich dabei um den Ausdruck eines Scans mit einem Xerox-Gerät handelte, war vielleicht nicht allzu kluk, aber in diesem Fall verschmerzbar.

Die Unterschriftenlisten wurden auf mehrere Zweierteams aufgeteilt, die jeweils ihren eigenen Stapel verifizierten.

Direkt zu Beginn fiel auf, dass am Ende noch Duplikate eliminiert werden mussten. Das hatte ich zuvor nicht bedacht, und daher in die Suchapplikation auch nicht eingebaut, dass die gefundenen Einträge irgendwie gespeichert werden. Zum Glück gab die Anwendung aber den Namen einer Person aus, wenn man auf ihren Eintrag doppelklickte – ein Debugging-Überbleibsel, das sich nun als überaus nützlich erwies. Flugs die Ausgabe des Programms in eine Datei umgeleitet, und fertig war der Behelfs-Log.

Die eigentliche Prüfung lief dann recht reibungslos: Eine Person des Zweierteams tippt, die andere geht die Liste durch und hakt ab, beziehungsweise notiert Unstimmigkeiten wie falsche Namen, Matrikelnummern oder Personen, die gar nicht auffindbar sind.

Als es dann daran ging, für die Deduplizierung Einträge aus der Logdatei in den Unterschriftenlisten wiederzufinden, zeigte sich, dass es sehr nützlich gewesen wäre, die Position der Einträge (Seite/Zeile) mitzuloggen. So musste ungefähr anhand der Zeilennummern geschätzt werden. Nicht optimal.

Zuletzt wurde entschieden, dass Zahlendreher, anderweitig fehlerhafte Matrikelnummern, fehlerhafte Namen, fehlende Unterschriften, doppelte Einträge (einfach) und nicht auffindbare Einträge nicht gewertet werden3. Die übrigen, fehlerlosen Unterschriften wurden gezählt und das Quorum wurde erreicht.

Fazit

  • Die Prüfung auf mehrere Teams aufteilen spart Zeit
  • Gefundene Einträge mit ihren Positionen abspeichern spart hinterher Zeit bei Nachprüfungen
  1. „man“ ist so schön unspezifisch, gell.
  2. Wir haben da als Stichtag dreist den Tag der Einreichung festgesetzt. Das muss man aber nicht zwangsläufig so machen.
  3. Auch da kann man anders entscheiden.

Wie der Wahlausschuss einmal vor Gericht gegen die Uni verlor

Es ist ein Running Gag in Studierendenkreisen, dass man gegen die Universität Bonn vor Gericht eigentlich nur gewinnen kann.

Umso spannender ist es, wenn einmal das Gegenteil eintritt.

Wir befinden uns im Januar 2016. Das Studierendenparlament hatte die Durchführung einer „Urabstimmung über die Einführung und Teilfinanzierung der Einführung einer UniCard“ beschlossen, außerdem war ein erfolgreiches Verlangen nach einer „Urabstimmung über die Mitgliedschaft im Dachverband »freier zusammenschluss von studentInnenschaften«“ eingereicht worden. Da die Urabstimmungen gemeinsam mit der Wahl zum Studierendenparlament durchgeführt werden, übernimmt der Wahlausschuss die Aufgaben des Urabstimmungsausschusses (UA).

Zur Durchführung einer jeden Urabstimmung gehört nach § 15 Abs. 4 der Satzung der Studierendenschaft auch eine Urabstimmungsbenachrichtigung:

(4) Der UA ist für die Durchführung der Urabstimmung bei ordnungsgemäßem Verlangen oder bei entsprechendem SP-Beschluss zuständig. Er veranlasst, dass alle Studierenden eine Urabstimmungsbenachrichtigung erhalten, die den Termin der Urabstimmung und den Wortlaut des abzustimmenden Antrags enthält.

Es musste also eine Urabstimmungsbenachrichtigung versendet werden. Früher™ hätte man für so etwas viel Geld an die Deutsche Post bezahlt, damit sie kleine Briefchen an die Studierenden austrägt. Heutzutage bietet es sich allerdings an, über das HRZ eine E-Mail an alle Studierenden zu versenden. Die Möglichkeit, Brief oder Rundmail zu versenden, hat hier aber ausschließlich die Universität, weil sie die notwendigen Daten dazu besitzt. Das wird gleich nochmal wichtig.

Im Januar, also reichlich spät1, wurde daher im Rektorat nach der Genehmigung einer Rund-E-Mail an alle Studierenden gefragt. Die E-Mail sollte den üblichen „Es sind Wahlen und ihr dürft abstimmen“-Text enthalten, und außerdem die Benachrichtigung für die beiden Urabstimmungen inklusive die beiden Texte, über die es abzustimmen galt.

An letzterem störten sich allerdings das Rektorat und sein Justitiariat: Die Abstimmungstexte dürften nicht in der E-Mail enthalten sein; als Hauptgrund wurde angeführt, dass dies die Neutralität der Universität bezüglich der Angelegenheiten der Studierendenschaft gefährden würde.2

Nach zäher Verhandlung war das Rektorat bereit, eine E-Mail zuzulassen, die neben dem allgemeinen Wahlaufruf lediglich auf die Urabstimmungen hinwies und einen Link auf die Abstimmungstexte enthielt. Das würde der Satzungsbestimmung genüge tun.

Blicken wir nochmal auf den relevanten Teil von § 15 Abs. 4 SdS:

die den Termin der Urabstimmung und den Wortlaut des abzustimmenden Antrags enthält.

Dass der Vorschlag von Rektorat/Justitiariat ausreichend für die Erfüllung der Satzungsbestimmung sein soll, nun ja. Wie drückt man das jetzt aus? Es erschließt sich nicht unmittelbar. Wir gehen daher im folgenden davon aus, dass der Urabstimmungsantragstext Buchstabe für Buchstabe enthalten sein muss.

Da sitzt man dann also als Wahl-/Urabstimmungsausschuss. Man muss eine Benachrichtigung an alle Studierenden schicken, die die Wortlaute der Urabstimmungen enthält. Falls man das nicht tut, läuft man Gefahr, dass man die gesamte Abstimmung hinterher wegen dieses Formfehlers von einem Verwaltungsgericht um die Ohren gehauen bekommt.

Die einzige, die diese Benachrichtigung versenden lassen kann, ist die Universität3. Die will aber nicht.

Dazu kommt: Die Universität muss diese E-Mail auch erst einmal nicht zulassen. Die Wahlordnung gilt nur für die Studierendenschaft, in diesem Fall für den Wahlausschuss. Dass der ohne ihre Hilfe seine Aufgabe nicht erfüllen kann, ist erstmal nicht ihr Problem.

Das führt aber zu interessanten Überlegungen: Wenn der Wahlausschuss seine Aufgabe nicht erfüllt, könnte man sich bei dessen Rechtsaufsicht beschweren. Das ist die Universität. Man würde sich also bei der Universität beschweren, dass der Wahlausschuss gegen die Satzung verstößt, weil die Universität ihn nicht lässt. Spaßig!

Jede Wahlordnung wird vor Inkrafttreten vom Rektorat geprüft und genehmigt. Irgendwann™ wurde also auch einmal diese Wortlaut-Regel geprüft und genehmigt. Da sollte das Rektorat doch jetzt nicht plötzlich „machen wir nicht“ sagen können?

Und schließlich ist der Wahlausschuss auch noch eine Behörde. Da schreit dieser Fall geradezu nach Amtshilfe.

Die Abstimmung rückte immer näher, und die Benachrichtigung konnte nicht in der vorgeschriebenen Form versendet werden. Was tat unser reichlich mit Juristen in Ausbildung ausgestatteter Wahlausschuss angesichts der drohenden Ungültigkeit der Urabstimmungen? Das Zauberwort heißt „einstweiliger Rechtsschutz“4. Der Wahlausschuss ließ (fertig ausgebildete) Rechtsanwältinnen und -anwälte zum Verwaltungsgericht Köln laufen und beantragen, der Universität zügigst aufzutragen, die E-Mail in der vom Wahlausschuss für notwendig erachteten Form versenden zu lassen.

Das Verwaltungsgericht Köln hat diesen Antrag mit Beschluss vom 15. Januar 2016 abgelehnt (Beschluss im Volltext).

Geradezu amüsant ist folgende Passage aus dem Beschlusstext:

beschluss_vgkoeln_rundmail_auszug

Da staunt der Laie, und die Fachfrau fazialpalmiert.

Die Rundmail wurde daraufhin ohne den Wortlaut der Urabstimmungsanträge, sondern lediglich mit einem Link auf sie versendet.

Auch für den Wahlausschuss hatte dieser Beschluss etwas Gutes: Zwar ist die Argumentation, weshalb der Wortlaut nicht enthalten sein muss, immer noch hanebüchen. Bei einer Anfechtung der Urabstimmung könnte der Ausschuss aber guten Gewissens auf den Gerichtsbeschluss verweisen und „uns trifft keinerlei Schuld“ singen.

Man hätte diese Angelegenheit nach der Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes übrigens immer noch in einem ordentlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht klären lassen können. Dazu hatte dann im Studierendenparlament aber irgendwie niemand mehr Lust.

  1. die Wahlen/Urabstimmungen fanden in der zweiten Januarhälfte statt
  2. Das halte ich persönlich für Humbug, da die Universität lediglich dem Wahlausschuss für die Erfüllung einer sich aus der Satzung der Studierendenschaft ergebenden Aufgabe ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen, und nicht z. B. selbst als Verfasserin der E-Mail auftreten würde. Aber ich habe ja auch keine Ahnung, gell.
  3. Genau genommen sagt das Rektorat (Uni) dem HRZ (Uni), dass es eine ganz bestimmte E-Mail des Wahlausschusses (nicht Uni) an alle Studierenden versenden soll.
  4. Ja, das sind zwei Wörter. Gut gezählt!

Verschätzt

Die Wahl zum 38. Studierendenparlament und die beiden Urabstimmungen sind seit Donnerstagabend beendet, doch das Ergebnis der Urabstimmungen lässt immer noch auf sich warten. Die Auszählung, die direkt im Anschluss an die Wahl startete, wurde am Freitagmorgen gegen fünf Uhr ohne Endergebnis abgebrochen. Die Auszählung der Urabstimmungszettel war bereits um drei Uhr morgens eingestellt worden, um die Auszählung der SP-Wahl zu priorisieren. Von der gibt es immerhin mittlerweile ein Ergebnis. Die Auszählung der Urabstimmungen soll am morgigen Montag fortgesetzt werden.

Was ist da denn schiefgelaufen?

Noch am Vortag meinte ich, als die Auszählhelferinnen und Auszählhelfer praktisch alle fragten, wie lange die Auszählung denn dauern würde, dass der Zeitaufwand vermutlich in etwa so wie im letzten Jahr auch sein würde, die Auszählung also bis etwa ein Uhr daure. Die Urabstimmungen könne man schließlich ziemlich schnell zählen, da im Gegensatz zur SP-Wahl nur vier Optionen unterschieden werden müssten. Eine fatale Fehleinschätzung, was uns gegen 22 Uhr so langsam klar wurde, als die Auszählergebnisse immer noch nur spärlich bei den Auszählrechnern zur Eingabe eintrudelten.

Vergleichen wir einmal den Aufwand für die Auszählung einer Urne bei einer regulären SP-Wahl ohne Urabstimmung mit dem Aufwand in diesem Jahr:

auszaehlung-sp

Wie viel Zeit geht für die Auszählung einer Urne bei einer regulären SP-Wahl drauf?

Die Urne wird an den Auszähltisch geholt, geöffnet und geleert, dann werden die Stimmzettel nach Listen sortiert und gezählt. Zu guter Letzt wird das Ergebnis in ein Berichtsblatt eingetragen.

Wie viel Zeit verschlingt die Auszählung von einer SP-Wahl und drei zusätzlichen Urabstimmungsfragen?

Wie viel Zeit verschlingt die Auszählung von einer SP-Wahl und drei zusätzlichen Urabstimmungsfragen?

Im Vergleich zur SP-Wahl ist die Auswahl für eine Urabstimmungsfrage recht begrenzt – neben Ja, Nein, Enthaltung und Ungültig gibt es nichts. Daher dauert die Sortierung und Zählung auch nur halb so lange wie bei den SP-Zetteln. Die UniCard-Abstimmungszettel müssen jedoch auf irgend eine Art zweimal sortiert werden (je einmal pro Frage), und schon dauert die Auszählung der Urabstimmungen insgesamt länger als die der SP-Wahl. Hinzu kommt außerdem der Aufwand nach Öffnung der Urne, die drei Abstimmungszettel erst einmal zu trennen.

Der Gesamtaufwand pro Urne wird also im Vergleich zu den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Außerdem ist die Zahl der abgegebenen Stimmen in diesem Jahr im Vergleich zum letzten Jahr um 40 % gestiegen, was die Auszähldauer weiter erhöht.

Im Nachhinein betrachtet ist es also nicht verwunderlich, dass morgens um sechs Uhr immer noch kein Ergebnis feststand.

Wäre es da sinnvoll gewesen, zur Auszählung doppelt so viele Personen einzusetzen? Gut möglich. Das hat uns aber vorher niemand gesagt. Und von selbst sind wir auch nicht drauf gekommen. Wie gesagt: „Die Urabstimmungen gehen ja schnell“.

Hach ja.

Stark beeindruckt haben mich aber unsere für die Auszählung eingesetzten Helferinnen und Helfer. Obwohl ich ihnen zuvor erzählt hatte, die Auszählung ginge „bis wir fertig sind, also wahrscheinlich wieder bis null, ein Uhr“, hat sich nicht eine Person bei mir beschwert, als es dann doch „ein bisschen“ länger dauerte.

Vielleicht waren sie aber auch nur zu erschöpft, um sich zu beschweren.