PCB-Alarm im Bonner Uni-Neubau

Für das Hörsaalzentrum besteht „umgehend Handlungsbedarf“ – In den übrigen Räumen reicht Lüften und häufiges Reinigen.

Von Lisa Ausbeten, 01.04.2018

Das Hörsaalzentrum, das am stärksten belastete Gebäude, hier 2014.

Boon. Giftalarm in der Uni Bonn: Bei Untersuchungen in den Räumen der Ersatzneubauten am Campus Poppelsdorf – 1. Bauabschnitt – sind erhöhte PCB-Werte gemessen worden. Die Uni-Pressestelle teilte am Dienstag mit, alle PCB-Werte liegen zwar unter dem so genannten Vorsorgewert von 3 000 Nanogramm Kubikmeter Raumluft, aber oberhalb des Grenzwertes von 300 Nanogramm.

Einzige Ausnahme: Im Hörsaalzentrum liegt der PCB-Wert bei 3 025 Nanogramm. Dort werde umgehend mit der Sanierung begonnen. In den übrigen Räumen könne die PCB-Konzentration laut TÜV durch regelmäßiges Lüften und häufigeres Reinigen deutlich gesenkt werden.

„Wir nehmen die Schadstoffbelastung sehr ernst“, sagt Vize-Unikanzlerin Kristina Pliske. Sämtliche Mitarbeiter in dem Gebäude seien am Dienstag über die Messergebnisse und Sofortmaßnahmen informiert worden. Mit Erleichterung habe die Universitätsleitung zur Kenntnis genommen, dass bei Untersuchungen von 72 weiteren Gebäuden der Uni aus dem Zeitraum keine PCB gefunden wurden.

Die Uni Bonn mietet seit 2001 alle Gebäude, die ihr nicht gehören, vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB), so auch den 2017 fertiggestellten Gebäudekomplex.

Die Episode erinnert an 2004, als in Bonner Schulen und den allgemeinen Vergnügungszentrum (AVZ) der Uni Bonn erhöhte PCB-Werte festgestellt wurden (der GA berichtete)

„keine akute Gesundheitsgefährdung“

Vor mehr als drei Jahren wurde im Wohnheim Pariser Straße eine Schadstoffbelastung mit PCB1 festgestellt. Damals hieß es, die Werte seien zwar nicht so hoch, dass unmittelbar entmietet werden müsse, aber doch so hoch, dass „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit mittelfristig saniert“ werden müsse. „Mittelfristig“, wurde erklärt, bedeutet etwa 2-3 Jahre, und „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit“ hieße, dass der Zeitpunkt innerhalb der Mittelfristigkeit so gewählt werden könne, dass die Sanierung beispielsweise mit anderen Baumaßnahmen zusammengelegt werden könne. „Es ischt grad kein Geld im Haushaltsplan“ wurde explizit als Grund genannt, der auf keinen Fall gelten könne.

Nun haben die Bewohnerinnen und Bewohner diese Woche einen Brief des Studierendenwerks in ihren Briefkästen vorgefunden, der als Datum den 11.11.2015 trägt2 und sich wie folgt liest:

stwbn-pcb-20151111.thumb

Die Stellungnahme von Herrn Ewers ist recht aufschlussreich:

„Im Hinblick darauf, dass die Aufnahme von PCB mit der Nahrung in den vergangenen Jahren sehr stark zurückgegangen ist, und dass die inhalative Aufnahme von PCB bei den in Räumen der SWA Pariser Straße vorhandenen Raumluftkonzentrationen nur geringfügig zur intrakorporalen PCB-Belastung der Bewohner beiträgt, bestehen gegen eine Verschiebung der Entmietung der Räume und der Sanierungsmaßnahmen auf das Jahr 2016 aus umweltmedizinisch-toxikologischer Sicht keine Bedenken.“

Jetzt ischt es halt so: Dass die Konzentration von PCB in der Raumluft nicht plötzlich auf das Zehnfache ansteigt, liegt in der Natur der Sache und sollte eigentlich auch allen Beteiligten klar sein. Mit der Begründung könnte man also auch eine Laufzeitverlängerung bis 2020 rechtfertigen.

Weiters klärt die Internetseite des Studierendenwerks auf:

Darüber hinaus sprechen weiterhin folgende Gründe für eine Verlängerung:

Dann wollen wir doch mal sehen.

–    Eine Schadstoffsanierung ist sehr teuer. Auch das Wirtschaftsjahr 2016 steht für das Studierendenwerk im Zeichen der drei großen Bauprojekte Komplettsanierung der Mensa Poppelsdorf, Neubau Studentenwohnheim Tannenbusch und Neubau Studentenwohnheim Drususstraße. Zusätzliche finanzielle Belastungen sollten, wenn verantwortbar und rechtlich möglich, verschoben werden.

Wenn Sie jetzt ein klein wenig nach oben scrollen… Ja, genau. Dann steht da, dass das ja überhaupt kein Grund ist, die Sanierung zu verzögern.

–    Die Studentenwohnanlage Pariser Straße verfügt über 316 Appartements: dringend benötigter Wohnraum für Studierende. Die Neubauten stehen planmäßig zu Beginn des Wintersemesters 2016/2017 zum Einzug bereit.

Das wäre mal ein nachvollziehbarer Grund. Dann müsste man aber auch etwas mehr Geld in die Instandhaltung des Wohnheims Pariser Straße stecken. Aktuell3 werden vom Hausmeister für Reparaturen andere Zimmer kannibalisiert. In denen dann niemand mehr wohnen kann. Checksch?

Ach, appropos „planmäßig“: Eine kurze Googelei findet zum Beispiel diesen Artikel aus dem Juni 2014, in dem steht:

Läuft alles nach Plan, können Anfang 2016 bereits die ersten Umzugskisten ausgepackt werden.
Muss wohl ein sehr guter Plan sein, den die da haben. Ein Masterplan, quasi.
  1. Polychlorierte Biphenyle
  2. Tä-tääää!
  3. Das ist der Stand von vor einigen Wochen. Ob sich da mittlerweile was getan hat? Jetzt, wo man das Wohnheim länger offen lässt?

Lustige Ideen

In letzter Zeit hatten viele Menschen viele lustige Ideen. Ein paar davon möchte ich hier niederschreiben.

Wohnen

Seit Juli hat das Studierendenwerk Bonn einen neuen Geschäftsführer. Herr Huber heißt Jürgen mit Vornamen und stellte sich relativ bald auch im Studierendenparlament vor. Vorab gab es die Möglichkeit, detailliertere Fragen zwecks Vorabübermittlung an das SP-Präsidium zu senden. Das hat mittelmäßig gut geklappt, mein Fragenblock zur Umbenennung des Stw und den dadurch entstehenden Kosten ist dabei irgendwie unter die Räder gekommen.

Viel interessanter jedoch war Hubers Aussage in Bezug auf das Wohnheim Pariser Straße, das ja mit polychlorierten Biphenylen (PCB) belastet ist und ursprünglich mal zum 31. März 2015 entmietet sein sollte. Der aktuelle Aushang spricht von einer Entmietung bis 31. März 2016, aber wer die Historie kennt, kann vermuten, dass es dabei nicht bleiben wird.

So auch die Antwort der Geschäftsführung auf meine Fragen: Ziel sei es, das Wohnheim Pariser Straße noch länger in Betrieb zu halten, sofern eine Gefährdung der Bewohnerinnen und Bewohner aus gesundheitlicher Sicht ausgeschlossen werden könne. Eine Verlängerung (vorerst bis September 2016) hängt jetzt also augenscheinlich von der Zustimmung der Doktoren Ewers und Zwiener (siehe) ab. Doch was soll sich an der Einschätzung ändern, wenn keine neuen Messungen mehr durchgeführt werden, weil der Erkenntnisgewinn angeblich minimal wäre? Fragt man sich und wettet darauf, wann die Bewohnerinnen und Bewohner über neue Entwicklungen informiert werden.
Ich setze da ja auf Anfang Februar 2016.

Studieren

Bei der Ausarbeitung des Hochschulzukunftsgesetzes NRW (HZG) wurde ein Geburtsfehler eingebaut, der einigen Senatsmitgliedern aktuell sehr auf den Magen schlägt.

Eine sogenannte gruppenparitätische Besetzung des Senats wäre erreicht, wenn die Gruppen der  Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, der wissenschaftlichen Mitarbeitenden, der Mitarbeitenden aus Technik und Verwaltung sowie der Studierenden jeweils gleich viele Mitglieder in den Senat wählen dürfte.
Grundsätzlich fand man das wohl auch im Ministerium gut, allerdings überlegte man sich dann auch, dass in bestimmten Fällen die  Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer eine Stimmmehrheit haben sollten. Und dann kam folgender großer Quark raus:

  1. Die Grundordnung der Universität kann vorsehen, dass die vier Gruppen gleich viele Stimmen im Senat besitzen
  2. Falls das so ist, haben die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer aber in bestimmten Fällen trotzdem eine Stimmmehrheit

Gekrönt wird das nur noch von der Erläuterung:

Das in Satz 1 geforderte Ziel wäre beispielsweise dann erreicht, wenn
der Grundordnungsgeber eine in der Stimmgewichtung halbparitätisch
aus Lehrenden und Lernenden besetzte Studienkommission errichtet,
deren Aufgabe es ist, den Senat in Angelegenheiten der Lehre und des
Studiums zu beraten, insbesondere in Angelegenheiten der Studienre-
form und der Evaluation von Studium und Lehre. Damit würde dem
Leitgedanken der stärkeren Partizipation der Studierenden hinreichend
Rechnung getragen.

Das Hochschulzukunftsgesetz sagt also: Ihr sollt den Senat paritätisch besetzen, außer ihr wollt das nicht. Wobei „ihr“ in diesem Fall ein Senat ist, in dem 12 von 23 Mitgliedern der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer angehören. Und die finden, was in der Diskussion auf der betreffenden Senatssitzung deutlich wurde, die aktuelle Situation ganz prächtig und sehen keinen Grund, etwas an der Zusammensetzung des Senats zu ändern.

Den Entwurf für die nach Inkrafttreten des HZG benötigte neue Grundordnung hatte eine Senatskommission erarbeitet. In diesem Kommissionsentwurf war eine Verteilung der Mitglieder auf die Statusgruppen von 12:4:4:4 vorgesehen, das heißt personell hätten die Hochschullehrerinnen und -lehrer die Hälfte der Sitze besetzt. Die Senatsmitglieder der übrigen Statusgruppen hätten bis auf die im Gesetz vorgesehenenen Ausnahmefälle jedoch jeweils 3 Stimmen bekommen, so dass wenigstens eine Stimmpariät erreicht worden wäre.

Mit dieser Lösung waren dann aber irgendwie alle unzufrieden, und es gab gleich drei Änderungsanträge. Einer änderte nur etwas an der Stimmgewichtung, den lasse ich hier mal außen vor.

Der studentische Änderungsvorschlag: Jede Gruppe wählt 7 Senatsmitglieder, und über die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmefälle entscheidet eine einzurichtende Senatskommission, in der die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer die Mehrheit haben müssen. Das Problem hierbei: Diese Senatskommission würde zu einem „Parallel-Senat“, in dem ordentliche Mitglieder aus den restlichen drei Statusgruppen ihres Stimmrechts beraubt würden. Außerdem können diese Kompetenzen wohl nicht dauerhaft an eine Kommission übertragen werden.

Der professorale Änderungsvorschlag: Der Senat bleibt so wie er ist. Senatskommissionen müssen dafür paritätisch besetzt werden.

Und das ist, mit Verlaub, grober Unfug. Was bringt es, wenn eine paritätische Kommission Vorschläge nur an einen Senat richten kann, in dem die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer wieder die Stimmmehrheit haben? In wirklich kritischen Punkten (wie zum Beispiel diesem Punkt der Grundordnungsänderung) wohl nichts. Dass die Professorinnen und Professoren im Senat das nicht einsehen wollten, ist aber verständlich: Aus ihrer Sicht ist ja alles prima.

Die Grundordnung wurde nun vom Senat sehr knapp inklusive der professoralen Änderung beschlossen. Jetzt darf das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung sich überlegen, ob es die Grundordnung so gut findet.

Weiterführende Links:
Zur Grundordnungsänderung der Uni (Alois Saß, stud. Senator, Juso-HSG)
Uni-Senat lehnt Viertelparität ab (AStA-Pressemitteilung)