Zahlen malen

In ungefähr genau einer Woche ist es wieder soweit: Wer in Bonn studiert und den Semesterbeitrag noch nicht überwiesen hat, sieht entweder Verspätungsgebühren oder gar die Exmatrikulation auf sich zukommen.

Für das Wintersemester 2013/14 sprechen wir hier von 248,32 €. Das sind wieder einmal ein paar Euros mehr als im letzten Semester, was nun daran liegt, dass das Studiticket leider nicht billiger wird.

Wer sich dafür interessiert, wie sich dieser Betrag zusammensetzt, wird in der „Beitragsordnung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in der Fassung der Beitragsordnung vom 23. Juli 2013“ (Link) fündig. Dazu kommt lediglich noch der Beitrag für das Studentenwerk in Höhe von 77 €.

Doch auch wer sich nicht dafür interessiert, sollte zumindest einen groben Überblick darüber haben, wofür er/sie jedes Semester so viel Geld ausgibt. Kleine Tabelle gefällig?

AStA 10,50 €
stud. Sozialeinrichtungen 0,66 €
Hilfsfonds 0,01 €
Studiticket-Rückerstattung 0,85 €
Fachschaften 1,75 €
Studierendensport 0,85 €
VRS-Ticket 112,70 €
NRW-Ticket 44,00 €1
Studentenwerk 77,00 €
Summe 248,32 €

Hässlich? Ja. Übersichtlich? Nein. Das muss doch irgendwie besser gehen. Vielleicht lässt sich das ja grafisch cool darstellen?

Fett! Lass uns ein Diagramm malen!

Der Klassiker ist das Balkendiagramm:

balkendiagramm

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Also schon, die drei fetten Balken rechts, aber die Mitte ist unlesbar.

Kreisdiagramme sind eh viel cooler!

Der Witz an unseren Zahlen ist, dass wir hier von einigen großen und vielen kleinen Beträgen reden. Unser Kreisdiagramm sieht entsprechend aufschlussreich aus:

kreisdiagramm

Jo, also die Tickets machen mehr als die Hälfte aus und das Studentenwerk ist auch ein dicker Brocken. Der AStA-Beitrag ist noch erkennbar. Aber abdrucken würde so etwas hoffentlich niemand.

Aber es gibt doch noch…

Statt jetzt hier mit Flächen-, Blasen- und Netzdiagramm weiter zu machen, die uns genauso wenig weiterhelfen, verfolgen wir einen etwas anderen Ansatz: Flächen statt Längen. Eine Treemap sollte eigentlich perfekt sein – werfen wir mal Google Docs an und gucken, was dabei herauskommt.

treemap

Öhm…. besser als vorhin ist es wenigstens. Die meisten kleinen Beträge sind zumindest als farbige Fläche erkennbar. Dennoch besteht zweifelsfrei Verbesserungspotenzial.

Einen Versuch wagen wir noch! Diesmal mit viel Handarbeit in Inkscape:

Semesterbeitrag-2Oh yeah \o/
Ein Quadrat kostet 50 ct, und selbst der eine Cent für den Hilfsfonds ist noch erkennbar. Wir sind so begeistert, dass wir die Grafik umgehend in die neue Erstsemester-BAStA packen.

Das Geheimnis des Erfolgs ist offensichtlich die Kombination aus Balkendiagramm und Treemap: Die Grundstruktur besteht aus Balken, die aber unterschiedlich breit sind, so dass wir letztendlich breite hohe und schmale niedrige Balken vor uns haben. Dieses Meisterwerk könnte man jetzt auf Poster drucken und überall in der Uni aufhängen – leider ändern sich die Zahlen nächstes Semester bereits wieder. Nach oben, versteht sich.

Nachtrag: Hups, Fußnote vergessen.

  1. Wer sich jetzt denkt „Hey, wenn das NRW-Ticket so billig ist, dann verzichten wir doch auf das VRS-Ticket und sparen ganz viel Geld“, den muss ich enttäuschen: Das NRW-Ticket gibt’s nur als „Add-On“ auf das VRS-Ticket drauf.

Spaß mit Protokollen

Wer das Protokoll schreibt, schreibt Geschichte. Das gilt im großen Maßstab (Bundestag, Wannseekonferenz – fragen Sie die Geschichtsstudierenden Ihres Vertrauens), aber besonders auch im kleinen. Nehmen wir zum Beispiel unser schönes Studierendenparlament in Bonn.

Auf den letzten Sitzungen wurde zu Beginn fleißig darum gestritten, welche Formulierung jetzt wie gefallen sein soll und wie sie wiederum im Protokoll stehen sollte – das konnte sich schon einmal über 90 Minuten hinziehen. Dabei geht es heutzutage nicht einmal mehr um Wortprotokolle, wie das noch bis Juni 2012 der Fall war, sondern „nur noch“ um Verlaufsprotokolle. Ich persönlich finde Wortprotokolle spannender als Verlaufsprotokolle – solange ich sie nicht selbst erstellen muss freilich.

Glücklicherweise gibt es von den Sitzungen des Studierendenparlaments vor Juni 2012 schöne Wortprotokolle. Anhand dieser Protokolle lassen sich sehr gut Sachverhalte recherchieren. Beispiele gefällig?

Ihr habt die Fachschaftswahlordnung gefressen!

Die Fachschaftswahlordnung (FSWO) regelt die Wahl der Fachschaftsvertretungen und Fachschaftsräte an der Uni Bonn. Die aktuelle FSWO ist von 1982. Hat die seit damals niemand mehr ändern wollen? Na doch. 2007 zum Beispiel. Da hat die Fachschaftenkonferenz (FK) eine neue Version verabschiedet, die anschließend im SP gelesen werden sollte. In den SP-Protokollen taucht sie dann jedoch nie mehr auf.

Oder 2010. Wunderbare Geschichte. Auf der 9. ordentlichen Sitzung des 32. SP am 21.07.2010 standen auf der Tagesordnung a) eine Satzungsänderung und b) eine Änderung der FSWO. Die beiden Tagesordnungspunkte wurden ausgesetzt1, damit die Parlamentarier sich über die vorlesungsfreie Zeit ausgiebig mit der Materie beschäftigen könnten, so die Begründung. Und jetzt raten Sie mal, welcher Tagesordnungspunkt nie wieder vom Präsidium auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Ja!

Im Zusammenhang mit Satzungsänderungen fällt mir auch gleich der nächste Punkt ein, die berüchtigte

Chaos-Sitzung vom 14. Juli 2011

Es stand mal wieder eine kontrovers diskutierte Satzungsänderung auf dem Programm, die in zweiter und dritter Lesung final abgestimmt werden sollte. Dass sich Geschichte stets wiederholt, sieht man daran, dass damals die 1. Lesung dieser Änderung bereits verschoben werden musste, weil die Fachschaftenkonferenz den Änderungsantrag nicht rechtzeitig zugeleitet bekommen hatte.2 Raten Sie mal, was demletzt bei der aktuellen Satzungsänderung passiert ist. Ja!

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Die 8. ordentliche Sitzung des 33. Studierendenparlaments. Wenn man sich das Ergebnisprotokoll so ansieht, fällt einem zunächst nichts Ungewöhnliches auf. Nur das Sitzungsende ist mit halb zwei Uhr morgens für SP-Verhältnisse extrem spät. Liest man jedoch das Wortprotokoll und ist mit einem gesunden Maß an Fatalismus ausgestattet, offenbart sich eine Sitzung, in deren Verlauf eine flüchtende SP-Präsidentin den Ausbruch völligen Chaos provoziert, womit die Satzungsänderung vorerst den Weg alles Irdischen geht und den Leser knapp zwei Jahre später ungläubig-entsetzt-irre lachend auf seinem Stuhl zurücklässt.

Hat sie das nun gesagt?

Ein weiterer Anlass, mal wieder in alten SP-Protokollen zu wühlen, bot sich letzten Mittwoch bei der Wahl des neuen AStA. Der Finanzreferent in spe trug bei seiner Vorstellung zum Amüsement eines Teils des Saals bei, indem er die Frage nach seiner Qualifikation mit den Worten einer ehemaligen AStA-Vorsitzenden beantwortete, die bei ihrer Wahl im SP gesagt haben soll „Ich brauche keine Qualifikation, ich habe eine Mehrheit“. (Quelle)

Im Protokoll der entsprechenden Sitzung vom 10.03.2010 stellt sich dies nun leicht anders dar. Die damals gewählte AStA-Vorsitzende wird mit folgenden Worten zitiert:

Nicht allein der Erfahrungsschatz qualifiziert mich für den AStA-Vorsitz, sondern auch die Stimmenmehrheit.

Das klingt schon leicht anders als das knackige Zitat aus der Pressemitteilung des RCDS.

Was nun wirklich von ihr gesagt wurde auf der Sitzung, da hat sicher jeder der damals Anwesenden seine eigene Erinnerung. Die offizielle Darstellung liegt jedoch in den Händen des Protokollanten.

Das können Sie alles aufzeichnen!

Für die morgige Sitzung des SP liegt ein Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung (nur aus dem Uninetz abrufbar) vor, der eine Aufzeichnung der Sitzung als Hilfe für die Protokollanten vorsieht und sehr eingeschränkt SP-Mitgliedern als Beweishilfe in „Aber der hat gesagt!!!!!111elf“-Fällen dienen soll. Doch warum die Aufzeichnung denn anschließend vernichten? Die akut könnte sie sicher für ihre Berichte über die Arbeit des SP gut gebrauchen. Das Campusradio könnte die Sitzung zur besten Sendezeit senden. So viele Möglichkeiten… Aber schauen wir erstmal, ob sie morgen überhaupt so weit in der Tagesordnung kommen.

War noch was?

Neben der Aussage der AStA-Vorsitzenden bezüglich ihrer Qualifikation befand sich noch eine wahre Wortprotokoll-Perle, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

Hervorhebung von mir, Name geschwärzt. Wir wollen ja nicht, dass die Person bei einer Bewerbung darauf angesprochen wird, was da im Internet steht was sie böses gesagt haben soll.

Hervorhebung von mir, Name geschwärzt. Wir wollen ja nicht, dass die Person bei einer Bewerbung darauf angesprochen wird, was da im Internet steht was sie Böses gesagt haben soll.

  1. Ein ausgesetzter Tagesordnungspunkt kann auf einer späteren Sitzung wieder aufgenommen werden.
  2. Die Satzung sagt in § 50, dass das so muss.

Satzungsmurks durch Genderwahnsinn?

(Wer hier Geflame gegen Gender/_*innen lesen will: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.)

An der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität müssten stellvertretende Fachschaftsvertretungsvorsitzende und Protokollantinnen/Protokollanten eigentlich von dem/der Fachschaftsvertretungsvorsitzenden gewählt werden, wenn man der Satzung Glauben schenkt. Von nur einer Person „gewählt“? Richtig. Denn § 27 sagt im Absatz 2 Folgendes (Hervorhebung von mir):

(2) Die FSV wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden, sie oder er kann darüber hinaus eine stellvertretende Vorsitzende oder einen stellvertretenden Vorsitzenden und eine Protokollantin oder einen Protokollanten wählen.

„Sie oder er“ wählt also Stellvertretung und Protokoll. Eigentlich ist das grober Unfug – die gesamte FSV sollte ihre Ämter besetzen. Was ist also passiert?

In der über zehn Jahre alten „Bekanntmachung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 21. Februar 2003“, auffindbar in den amtlichen Bekanntmachungen der Universität Bonn, ist dieser Abschnitt in eben dieser Form zu finden.

Auch in der noch älteren alten Publikation mit dem wunderschönen Namen „Bekanntmachung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Vom 11. November 1999“, ebenfalls in den amtlichen Bekanntmachungen erhältlich, kann „sie oder er“ alleine wählen.

Man muss schon die „Zweite Satzung zur Änderung der Satzung der Studentfirm’enschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 14. Januar 1998“ herauskramen, die nur als Digitalisat erhältlich ist und wohl eigentlich eine Satzung der „Student/inn/enschaft“ ändern sollte, um die meiner Meinung nach korrekte Formulierung aufzuspüren:

(2) Die FSV wählt einem Vorsitzende/n, sie kann darüber hinaus einem stellvertretende/n  Vorsitzende/n und eine/n Protokollant/in/en wählen.

Eine Vermutung, die sich hier aufdrängt und die plausibel erscheint: Beim letzten Gendertrendwechsel weg von der „Student/inn/enschaft“ und hin zur „Studierendenschaft“ wurde an dieser Stelle blind gleichberechtigt, und so wurde aus dem korrekten „sie“ das sinnverfälschende „sie oder er“. Und da die Satzung sowieso niemand aufmerksam liest, hat es auch bislang niemand gemerkt.

Möglicherweise gibt es ja noch Alt-Diplomer im 30. Semester, die sich an „damals“ erinnern und diese These bestätigen oder widerlegen können. Falls ja: Bitte meldet euch 😉

Nachtrag 25.06.: In der im Dezember des letzten Jahres beschlossenen Fassung der Satzung wählt wieder die ganze FSV stellvertretende Vorsitzende und Protokollanten/Protokollantinnen. Leider stellt sich das Justiziariat der Universität bei der Genehmigung dieser neuen Satzung quer, so dass immer noch die alte Satzung in Kraft ist.