Satzungsmurks durch Genderwahnsinn?

(Wer hier Geflame gegen Gender/_*innen lesen will: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.)

An der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität müssten stellvertretende Fachschaftsvertretungsvorsitzende und Protokollantinnen/Protokollanten eigentlich von dem/der Fachschaftsvertretungsvorsitzenden gewählt werden, wenn man der Satzung Glauben schenkt. Von nur einer Person „gewählt“? Richtig. Denn § 27 sagt im Absatz 2 Folgendes (Hervorhebung von mir):

(2) Die FSV wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden, sie oder er kann darüber hinaus eine stellvertretende Vorsitzende oder einen stellvertretenden Vorsitzenden und eine Protokollantin oder einen Protokollanten wählen.

„Sie oder er“ wählt also Stellvertretung und Protokoll. Eigentlich ist das grober Unfug – die gesamte FSV sollte ihre Ämter besetzen. Was ist also passiert?

In der über zehn Jahre alten „Bekanntmachung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 21. Februar 2003“, auffindbar in den amtlichen Bekanntmachungen der Universität Bonn, ist dieser Abschnitt in eben dieser Form zu finden.

Auch in der noch älteren alten Publikation mit dem wunderschönen Namen „Bekanntmachung der Neufassung der Satzung der Studierendenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Vom 11. November 1999“, ebenfalls in den amtlichen Bekanntmachungen erhältlich, kann „sie oder er“ alleine wählen.

Man muss schon die „Zweite Satzung zur Änderung der Satzung der Studentfirm’enschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 14. Januar 1998“ herauskramen, die nur als Digitalisat erhältlich ist und wohl eigentlich eine Satzung der „Student/inn/enschaft“ ändern sollte, um die meiner Meinung nach korrekte Formulierung aufzuspüren:

(2) Die FSV wählt einem Vorsitzende/n, sie kann darüber hinaus einem stellvertretende/n  Vorsitzende/n und eine/n Protokollant/in/en wählen.

Eine Vermutung, die sich hier aufdrängt und die plausibel erscheint: Beim letzten Gendertrendwechsel weg von der „Student/inn/enschaft“ und hin zur „Studierendenschaft“ wurde an dieser Stelle blind gleichberechtigt, und so wurde aus dem korrekten „sie“ das sinnverfälschende „sie oder er“. Und da die Satzung sowieso niemand aufmerksam liest, hat es auch bislang niemand gemerkt.

Möglicherweise gibt es ja noch Alt-Diplomer im 30. Semester, die sich an „damals“ erinnern und diese These bestätigen oder widerlegen können. Falls ja: Bitte meldet euch 😉

Nachtrag 25.06.: In der im Dezember des letzten Jahres beschlossenen Fassung der Satzung wählt wieder die ganze FSV stellvertretende Vorsitzende und Protokollanten/Protokollantinnen. Leider stellt sich das Justiziariat der Universität bei der Genehmigung dieser neuen Satzung quer, so dass immer noch die alte Satzung in Kraft ist.

Versagen im großen Stil

Seit ich in Bonn wohne, war ich bereits zweimal in Köln im Gericht. Die erste Verhandlung, die ich besucht habe, war vor dem Landgericht Köln die Verhandlung um die „scheiß RTL“-T-Shirts von fernsehkritik.tv im Herbst 2012. Diese Verfahren hat die Kreymeier Alsterfilm GmbH mittlerweile beide verloren.

Die zweite Verhandlung fand nun gestern vor dem Verwaltungsgericht Köln statt. Geklagt hatte ein Informatikstudent der Uni Bonn, weil er in zwei Modulen nicht zur Modulabschlussprüfung zugelassen wurde. In den betreffenden Modulen war die durchgehende Anwesenheit in den Übungen1 (maximal 2 Fehltermine) gefordert worden, der Student war aber wohl mehr als zweimal unentschuldigt nicht erschienen. Konsequenz war die Nichtzulassung, die Klage folgte, und ein bzw. zwei Semester später traf man sich dann vor dem VG Köln. Soviel zur Vorgeschichte.

Das Referat für Hochschulpolitik des AStA kämpft schon länger gegen Anwesenheitspflichten an der Universität Bonn, hat den Fokus aber eher auf Vorlesungen der Philosophischen Fakultät, in denen die Studierenden sich regelmäßig zwecks Prüfungszulassung in herumgereichte Listen eintragen sollen. Die Klage unseres Informatikstudenten wurde vom AStA unterstützt, auch wenn der Fall etwas anders gelagert ist. Sowohl die Seite der Kläger als auch die der Beklagten hoffte auf ein Grundsatzurteil über die Zulässigkeit von Anwesenheitspflichten im Universitätsbetrieb. Ein solches gibt es in NRW bzw. Deutschland bislang noch nicht, und so suppt derzeit jeder sein eigenes Süppchen. (Das Referat für Hochschulpolitik des AStA hat zu dieser Thematik sicher noch mehr Informationen.)

Doch zu einem Grundsatzurteil kam es nicht. Man kam nicht einmal in die Nähe eines solchen.

Das Bachelorstudium eines Informatikers an der Uni Bonn richtet sich nach der „Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Informatik der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn“, Kenner nennen sie keck „BaPO Informatik“, zu finden etwa hier. Laut dieser wunderschönen BaPO ist es nach Auffassung des Gerichts möglich, für die Zulassung zur Modulprüfung eine Anwesenheitspflicht festzulegen. Dazu muss jedoch

  1. im Einzelfall
  2. auf Antrag eines Lehrenden
  3. der Prüfungsausschuss die begründete Einrichtung einer Anwesenheitspflicht beschließen
  4. und bekannt machen.

Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, könnte man über die Frage verhandeln, ob denn die Bestimmungen der BaPO überhaupt rechtens sind.

Wie gesagt, in den beiden Fällen waren wir weit davon entfernt.

Im ersten Fall sollten für das Modul „Web- und XML-Technologien“ im Wintersemester 2011/12 50 % der erreichbaren Übungspunkte erreicht werden sowie maximal zweimaliges Fehlen erlaubt sein. Dies wurde zwar vom Dozenten mitgeteilt, einen entsprechenden Beschluss des Prüfungsausschusses hat es jedoch nicht gegeben. Somit waren die Voraussetzungen nicht erfüllt, der ganze Fall bereits erledigt und der klagende Student musste zur Prüfung zugelassen werden. Zack, fertig.

Im zweiten Fall sollten für das Modul „Relationale Datenbanken“ im Sommersemester 2012 ähnliche Zulassungsbedingungen gelten. Hier gab es sogar einen Beschluss des Prüfungsausschusses, der Antrag des Lehrenden (siehe oben Punkt 1) lag jedoch nicht den Akten bei, hätte aber nachgereicht werden können, so der derzeitige Prüfungsausschussvorsitzende Andreas Weber. Im Protokoll der entsprechenden Prüfungsausschusssitzung war jedoch keine Begründung vermerkt, was vom Richter kritisiert wurde. Als er dann noch fragte, wann die Sitzung denn stattgefunden und wann das Semester begonnen habe, war mir klar, dass die Uni auch in diesem Fall eine herbe Niederlage einstecken würde.

Die Vorlesungszeit im betreffenden Semester begann am 2. April. Die Prüfungsausschusssitzung, auf der die Zulassungskriterien mit Anwesenheitspflicht etc. beschlossen wurden, fand jedoch erst am 18. April statt. Jetzt kann man sich überlegen, ob es rechtlich in Ordnung ist, den Studierenden erst ein, zwei Wochen nach Beginn der Veranstaltung zu sagen, unter welchen Bedingungen sie überhaupt zur Modulprüfung zugelassen werden können. Die Antwort lautet selbstverständlich: Nein. Ein schönes Zitat des Richters dazu:

„Es ist klar, die Spielregeln müssen eigentlich immer klar sein, egal bei welchem Spiel, bevor das Spiel losgeht.“

Zu obiger Liste kommt also eigentlich noch ein fünfter Punkt hinzu: Bekanntgabe vor Beginn der Veranstaltung. Folgerichtig wurde dem klagenden Studenten auch im zweiten Fall Recht zugesprochen und er wird zur zweiten Prüfung ebenfalls zugelassen. Die Universität hat die Kosten beider Verfahren zu tragen.

Aus dem letztgenannten Punkt ergeben sich noch viel weitreichendere Folgen: Da die Zulassungskriterien für die Modulprüfungen auch im aktuellen Sommersemester erst nach Beginn der Veranstaltungen vom Prüfungsausschuss bekanntgegeben wurden, sind sie ebenso ungültig wie jene aus dem zweiten Prozess. Dies hat Prüfungsausschussvorsitzender Weber auch am selben Tag noch in einer E-Mail an alle Beschäftigten und Studierenden am Institut für Informatik bekanntgegeben. Wer sich für eine Informatikprüfung angemeldet hat, ist in diesem Semester somit automatisch zugelassen.

Alles in Allem war dieser Donnerstag also ein recht erfolgreicher Tag für die Bonner Studierenden, auch wenn die eigentlich relevante Frage nach der Rechtmäßigkeit von Anwesenheitspflichten wieder einmal nicht behandelt werden konnte. Gescheitert ist die Uni bzw. der Prüfungsausschuss daran, die eigenen Regeln aus der BaPO nicht ordentlich umgesetzt zu haben.

Artikelbild: Cain by Henri Vidal, in the Tuileries Gardens, Paris, 1896. Image by Jastrow (Own work (own picture)) [Public domain], via Wikimedia Commons

  1. Begleitende Veranstaltung zu einer Vorlesung, in der Übungsaufgaben besprochen werden